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Theodor W. Adorno
Alban Berg. Le maître de la transition infime,
Traduit par Rainer Rochlitz,

Paris 1989

 

Nach der Lektüre bis Seite 29:

 

In der Übersetzung geht der zentrale Charakter der Texte Adornos verloren, sein legitimster Hegelianismus: dass die Worte und Äußerungen nicht nur Bedeutungen präsentieren, sondern auch Kräfteverhältnisse ausdrücken. Dieses Ausdrücken liegt in der Sprache und im philosophischen Stil, und es ist alles andere als das, was die lasche Kritik als Ausdruckscharakter der Philosophie Adornos im ganzen beargwöhnt, um ihr die Anschlusswürdigkeit an die Wissenschaften absprechen zu können. Der an die Sprache, d. h. an die Sprachstruktur gebundene Ausdruck ermöglicht das einzigartige Praktizieren eines dialektischen Vorankommens im Text, indem die Aussagen subjekt- und protagonistenlos als Spannungen gebildet werden, die im Durchschreiten von Feldern kontinuierlich und bruchlos wechseln beziehungsweise einander ablösen. Sei es durch das Unvermögen des Übersetzers, sei es durch die Beschränktheit der französischen Sprache – indem auf der Oberfläche mittels Neuschöpfung von Wörtern, Gedankenstrichen und selbst Fragezeichen in den Stil eingegriffen wird, geschieht eine unvorstellbare Verwässerung der Adornoschen Sprachkraft, ein Auflösen der Spannungsfelder in klapprige Nebeneinanderfügungen trivialer herkömmlicher Behauptungs- und Wertungssätze. Adorno murmelt Bemerkungen gerade nicht nebenbeiher, als für sich falsifizierbare Behauptungen, sondern flicht sie in ein Gewebe ein, das objektiv das Gedachte sprechen lässt. Im Französischen liest sich Adorno schon bald einmal wie ein spießiger Feuilletonsfunktionär.

29. 6. 95