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21. 09. 2005: "Samisdat nicht rühmenswert"
Nach aufgehalster Lektüre Wenedikt Jerofejew's Die Reise nach Petuschki. Ein Poem durch eine der wegrationalisierten Amtsstubten des eidgenössischen Finanzdepartements verduftet der Zynismus aus der Phrase, die Zensur der Sowjets hätte sich an denjenigen Massstäben orientiert, die im Westen nur theoretisch diskutiert wurden, ohne im Literaturbetrieb vernünftige Anwendung zu finden. Dass dieses "Poem" - wehrt Euch, Dichter! - auf Deutsch jetzt gleich in einem dritten Verlag erscheinen soll, nachdem es in der Sowjetzeit der Siebziger- und Achtzigerjahre nur als Samisdat zirkulierte, um nach dem Verfall jener Zeiten als Riesenerfolg zu glänzen, wirft ein fahles kaltes Dämmerlicht aus unbegreiflicher Ferne auf das kritische Potenzial des deutschsprachigen Verlagwesens. Ein chronisch Besoffener beschreibt im sprachlichen Horizont eines nüchternen Zehnjährigen willkürlich und ohne inneren Zusammenhang ein paar Momente vor und während einer Zugreise von Moskau in das etwas mehr als 100 Km weit entfernte Petuschki. Keine Ahnung, an welcher Stelle im winzigen Büchlein oder auf welcher Ebene der ästhetischen Reflexion nach der Lektüre LeserInnen je etwas Bemerkenswertes zu formulieren hätten erwägen können.
Gerade sagt mir Maunzidong: "Man sollte dem schlechten Buch als Umschlag eine Schnapsetikette aus unserer Produktion überziehen, die aus einem Sortiment stammt, das nota bene für diejenige hergestellt wurde, die uns den ganzen Russenschnaps einbrockte."