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05. 11. 2005: "Schweizer Schweissarbeit auf dem steinigen Boden des Rechts"
Gestern Abend beeindruckende Sendung von Christoph B. Keller auf Radio DRS 2: Der lange Schatten des Sani Abacha. Von Beginn an fesselt einen Bewunderung für den Reporter, wie er die Akteure - Juristinnen und Juristen - so zum Sprechen bringt, dass durch deren Originalbeiträge das langwierige komplexe Geschehen Stück für Stück sich selbst darstellt. In gleicher Weise wächst die nämliche Bewunderung auch für die Akteure, allen voran für den Juristen, der von der nigerianischen Regierung angefragt worden war und der seinerseits bei den Schweizer Behörden und bei den Banken vorstellig wurde. Sani Abacha regierte Nigeria in Terror von 1993 bis zu seinem Tod 1998. Die nachfolgende nigerianische Regierung wirft ihm und seinem familiären Umfeld vor, das Land systematisch geplündert zu haben. Insgesamt soll der Abacha-Clan 2.2 Milliarden Dollar ins Ausland transferiert haben. Davon wurden dann 700 Millionen auf Schweizer Konten sichergestellt - als Erfolg der langen juristischen Prozesse konnten die Schweizer Behören in den vergangenen Tagen die Schweizer Banken beauftragen, auch die letzten Gelder davon Nigeria zuzustellen.
Zwar hat dieser Fluchtgelderskandal damit noch kein Happy End gefunden, weil die heutige politisch festgelegte Zweckbestimmung der Gelder, als direkte oder indirekte Sühneleistungen der Terroropfer Sami Abachas wirksam zu werden, alles andere als gesichert ist und weil die anderen Betrugsgelder im Wert von über einer Milliarde Dollar offiziell weder von den Engländern noch anderswo auf dem Fluchtgeldbankenmarkt als sichergestellt gemeldet wurden - dass es aber möglich ist, von freien einzelnen Juristen einen so heiklen Prozess in Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden und undurchsichtigen Banken so lange in Gang zu halten, gibt Zeugnis von einem modernen rechtlichen Gesellschaftsgefüge, das nicht nur als Garant von Law & Order in Erscheinung tritt, sondern offenbar auch so auf das Falsche im Realen zuzugehen imstande ist, dass es das Wahre vielleicht nicht wiederherstellt aber doch die Hoffnung zu immer neuem Leben erweckt, dass es nicht unwiderruflich ins Abseits geschoben ist. Man sieht: Es ist nicht nur der in Kämpfen erzeugte Druck, der Rechtsprozesse in Gang hält - oft genügen gewöhnliche Anfragen, um erlittenem Unrecht Recht widerfahren zu lassen, ohne weiteres Zutun durch gänzlich undurchschaubar wirkende Verhältnisse hindurch; nur ohne Anstösse bleiben dieselben schlechte Wirklichkeit.
Blieb man liegen auf dem Sofa mit den Kopfhörern eingeschaltet, zeigte sich um ein doppeltes Mal, zu was die Medien Fähigkeiten besässen, würde in den Instanzen mehr der Moral Vorzug gegeben als den regressiven Reizen. Kjell Keller stellte aus vier Konzerten Persischer MusikerInnen in Bern der letzten 10 Jahre vier Ausschnitte zusammen, die einen tief in die Konfliktsituation heute eintauchen liessen, immer aber mit dem riesigen Horizont der Hoffnung vor Augen, den einem grosse Kunst allenthalben aufreisst, dass unterschiedliche Künste und Kulturen von keinem Recht wegen dazu verdammt sind, einander zu vernichten, sondern insgesamt auf unterschiedliche Weise Einblicke gewähren ins Wunderbare dieser Welt, von dem keiner zu sagen sich verpflichtet fühlen muss, es würde durch ihn enträtselt worden sein.