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ur am 21. Maerz 2006 um 08.14 Uhr: Ontologische Melancholie

Die Konservativen scheinen im Recht, wenn sie das faschistische Fernsehen und die Kulturindustrie insgesamt in den Himmel loben, weil Aufklärung und Kunst da, wo sie im Ernst auftreten und im Ernst etwas zu sagen haben, die Bevölkerung überfordern. Nicht dass man je eine Sekunde lang diese dreiste Behauptung der Überforderung der Menschheit im Geiste in Erwägung ziehen sollte - geistige Reproduktionen gehen in allen Kulturen langsam vonstatten. Aber die entscheidenden Gebilde als die grossen Werke der Geschichte fristen eine Existenz in der Tat jenseits des Fruchtlandes wirkender Geschichtspraxis. Wie mancher Komponist musste nicht und muss heute noch über so manches Werk trauern, weil es nur die Uraufführung erlebte und von da an verstummte oder auch wieder verstummte, und wie vielen Malerinnen wurden und werden nicht ihre Werke noch aus dem Atelier entwendet und hinter dem Rücken in die Villen der im Luxus Verdummten verschachert und in die strahlenden Verliesse der Banken weggeschlossen? Die Werke der Philosophen scheinen solchen mörderischen Zugriffen entzogen, indem immer irgendwo in irgendeiner Bibliothek auf ein Exemplar zuzugreifen ist. Trotzdem haben sie mit den Schlüsselwerken der anderen Sparten gemein, dass sie ihre wahrhaftige Existenz erst da haben, wo sie verfälscht werden, in der Erinnerung und in ihren Effekten, die sich wesentlich dagegen sträuben, sich bis ins Letzte rekonstruieren zu lassen. Das aber ist die Art, wie der Geist lebt. Man mag über die eigentliche Existenz der Werke in Melancholie verfallen - ihr reales Wirken hängt nicht an den dünnen Fäden ihrer Ontologie sondern spinnt sich ihre eigenen.






Ur    Lala   Tsi ("Doggy") Dong